Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg vom 10.Januar 2012 zur Umsetzung DIN 1986-30
erschienen in Korrespondenz Abwasser. Abfall • 2012 (59) •
Nr. 6 www.dwa.de/KA
Rechtsprechung
Dichtheitsprüfung von privaten Grundstücksentwässerungsanlagen
In der fachlich, rechtlich und politisch umstrittenen Frage der Dichtheitsprüfung
privater Abwasseranlagen hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg kürzlich ein
interessantes Urteil gesprochen (10. Januar 2012, Aktenzeichen 9 KN 162/10). Es
kommt im Rahmen eines Normenkontrollantrages gegen die Satzung eines
Abwasserverbandes zu dem Ergebnis, dass eine Regelung in der Abwasser- beseitigungssatzung, wonach private Grundstücksentwässerungsanlagen entsprechend der DIN 1986-30
auf Dichtheit zu überprüfen sind, in Niedersachsen auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruht und mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Dichtheitsprüfungen zusätzlich zur
DIN 1986-30 können allerdings nur bei Vorliegen besonderer Rechtfertigungsgründe gefordert werden. Im Einzelnen ergab sich für das Urteil folgender Tatbestand:
„Der Antragsgegner ist ein Abwasserverband, der die Aufgabe hat, das in seinem Verbandsgebiet anfallende Abwasser zu beseitigen. Der Antragsteller ist Eigentümer eines im Verbandsgebiet
gelegenen Grundstücks. Nach § 2 Abs. 4 der Abwasserbeseitigungssatzung [ABS] des Antragsgegners sind Grundstücksentwässerungsanlagen alle Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung, soweit sie nicht
Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage sind. Letztere endet nach § 2 Abs. 5 a aa ABS bei einem Freigefällekanal mit dem Revisionsschacht circa 1 m hinter der
Grundstücksgrenze auf dem zu entwässernden Grundstück."
Das Urteil beruht auf folgenden Entscheidungsgründen:
„Der Normenkontrollantrag gemäß § 47 VwGO ist zulässig und insoweit begründet, als er sich gegen § 10 Abs. 2 Satz 2 a und b ABS sowie gegen § 10 Abs. 2 Sätze 5 und 6 ABS in Verbindung mit § 5 a bis ,§ 15 c ABS richtet. Diese Bestimmungen sind wegen Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht unwirksam. Die angefochtenen Regelungen in der Abwasserbeseitigungssatzung des Antragsgegners vom 25. November 2009 verstoßen im Übrigen, also soweit § 10 Abs. 2 Satz l und 2 c und d ABS betroffen sind, nicht gegen höherrangiges Recht und sind daher wirksam, so dass der Normenkontrollantrag in Bezug auf diese Vorschriften abzulehnen war.
Gemäß der vom Antragsteller angefochtenen Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 ABS sind Grundstückentwässerungsanlagen im Sinne von § 2 Abs. 4 bis 6 ABS den in der DIN 1986-30 genannten
Dichtheitsprüfungen zu unterziehen (vgl. Nr. 5.2. der DIN).
Der Senat sieht in dieser Bestimmung eine dynamische Verweisung auf die DIN
1986-30 in der jeweils geltenden Fassung, zurzeit also in der Fassung der 2.
Auflage von 2003 und voraussichtlich ab dem l. Februar 2012 in einer
geänderten Fassung. Nach der Tabelle 1 in Abschnitt 5.5 der zurzeit geltenden
DIN 1986-30 (Prüfverfahren und Zeitspanne für die Dichtheitsprüfung) sind
Anlagen zur Ableitung von häuslichem Abwasser oder Mischwasser entweder im
Zuge von Baumaßnahmen (Nrn. 1.1 und 1.2) oder aber jedenfalls bis zum 31.
Dezember 2015 (Nr. 1.3) einer erstmaligen - Dichtheitsprüfung zu unterziehen.
Wiederkehrende Prüfungen (also für Grundleitungen, bei denen bereits ein anerkannter Dichtheitsnachweis vorliegt) erfolgen bei Anlagen der genannten Art entweder im Zuge späterer Baumaßnahmen (Nr.
2.1) oder zumindest alle 20 Jahre (Nr. 2.2).
In der ab dem 1. Februar 2012 voraussichtlich geltenden Neufassung der DIN
1983-30 ist der 31. Dezember 2015 als Prüftermin entfallen und sind abweichende Prüfintervalle von 20 oder 30 Jahren vorgesehen.
Bei dieser Auslegung des § 10 Abs. 2 Satz l BS bestehen die vom Antragsteller
geltend gemachten Mängel hinsichtlich der Bestimmtheit der Norm nicht. Die
Vorschrift legt vielmehr für die Betroffenen erkennbar und damit hinreichend
klar fest, welches Verhalten von ihnen erwartet wird. Damit genügt sie den
Grundsätzen der Normenklarheit im Sinne der Rechts- prechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, BVerfGE 39, 168, 181).
Für die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 ABS besteht entgegen der Ansicht des
Antragstellers auch eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Die
Berechtigung, Dichtheitsprüfungen entspre- chend der DIN 1986-30 in der
Abwasserbe- seitigungssatzung vorzuschreiben, ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 und Abs. 3 Halbsatz 1 NKomZG in Verbindung mit §§ 6 Abs 1 Satz 1, 8 Nr. 2
NGO (jetzt §§ 10 Abs. 1, 13 Satz 1 Nrn. 1a und 2a NKomVG). Die jeweils erstgenannte Vorschrift begründet die allgemeine Befugnis der Gemeinde, ihre eigenen
Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze durch Satzung zu regeln. Die Aufgaben
der Abwasserbeseitigung gehören gemäß § 96 Abs. l NWG n.F. zum eigenen
Wirkungskreis der Gemeinden. In diesem Bereich können sie die Benutzung ihrer
öffentlichen Einrichtungen durch den Erlass von Satzungen regeln und nach § 8 Nr.
2 NGO (jetzt § 13 Satz Nrn 1a und 2a NKomVG) für die Grundstücke ihres
Gebietes den Anschluss an die Abwasserbeseitigung anordnen sowie deren
Benutzung vorschreiben (Anschluss- und Benutzungszwang). Insbesondere dürfen
sie im Rahmen der ihr so verliehenen Rechtsetzungsbefugnis Bestimmungen
erlassen, die Art und Weise des Anschlusses an den Abwasserkanal festlegen(st.
Rspr. des Senats). Der gemeindlichen Regelungsbefugnis unterfallen nicht nur
die Geschehensabläufe im öffentlichen Abwasserbeseitigungssystem. Als eine Art
.Annexkompetenz können die Gemeinden vielmehr auch Regelungen
bezüglich der Einleitung von Abwasser über die private Grundstücksentwässerungs-
anlage in das öffentliche System treffen. Denn ihrer Verpflichtung zur
gemeinwohl verträglichen Durchführung der Abwasserbeseitigung kann eine Gemeinde nur erfolgreich nachkommen, wenn sie in der Lage ist, auch die Benutzungsverhältnisse auf den einzelnen
Grundstücken auszugestalten und dabei Regelungen in Bezug auf die Grundstücksentwässerungsanlage zu treffen. Zulässig sind insoweit alle Bestimmungen, die im Interesse einer ordnungsgemäßen und
störungsfreien Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht, insbesondere einer schadlosen Ableitung und Behandlung de Abwassers erforderlich sind (vgl. Schneider, ZfW 2005, 69, 72f und 75f; siehe
auch OVG Münster - DÖV 2003, 418). In diesem Rahmen dürfen auch Vorschriften mit dem Ziel erlassen werden, eine
widerrechtliche Abwasserbeseitigung durch Versickern in den Untergrund zu
vermeiden und so der in § 96 Abs. 9 NWG n. F. geschaffenen Verpflichtung des
Verfügungsberechtigten, sein Abwasser der beseitigungspflichtigen Gemeinde zu
überlassen, gerecht zu werden.
Dies bedeutet für den Umfang möglicher Satzungsregelungen Folgendes: Auf der
Grundlage der §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 8 Nr. 2 NGO (jetzt §§ 10 Abs. 1, 13 Satz 1
Nrn 1a und 2a NKom VG) kann die Gemeinde eine Dichtheitsprüfung nur anordnen,
soweit ein konkreter Bezug zur Erfüllung der eigenen Aufgabe Abwasserbeseitigung
besteht. Kommunale Satzungen dürfen daher Anforderungen an Grundstücks-entwässerungsanlagen lediglich aufstellen, um zu vermeiden, dass der Betrieb des öffentlichen Abwasserbeseitigungssystems
erschwert oder beeinträchtigt wird, und um sicherzustellen, dass der bestehende Benutzungszwang und die Überlassungs-pflicht nach § 96 Abs. 9 NWG n. F. (§ 149 Abs. 10 NWG a.F.) eingehalten werden.
Über die Grundstücksentwässerungsanlage eindringendes Grund- und
Niederschlagswasser (Fremdwasser) kann dazu führen, dass die Reinigungs- leistung der Kläranlage infolge Verdünnung und hydraulischer Überlastung negativ beeinflusst wird. Eine Überprüfung der
Dichtheit von Grundstücksentwässe- rungsanlagen darf deshalb mit dem Ziel vorgesehen werden, das Eindringen von Fremdwasser in das Abwasserbeseiti- gungssystem zu verhindern.
Nicht von der Satzungsermächtigung in den §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 8 Nr. 2 NGO (jetzt §§ 10 Abs 1, 13 Satz 1l Nrn 1a und 2a NKom VG) gedeckt sind Regelungen, die allein auf die Einhaltung eines
wasserrechtlich ordnungsgemäßen Zustands abzielen.
Gegenstand des Wasserrechts ist unter anderem der Grundwasserschutz. Undichte
Leitungen bringen die Gefahr mit sich, dass das Grundwasser durch den Eintritt
von Schadstoffen beeinträchtigt wird (vgl. hierzu Schneider, ZfW 2005, 69).
Wegen des hinsichtlich des Grundwasserschutzes abschließenden Charakters des
Wasserr- echts sind kommunale Satzungsregelungen, insbesondere auch die
Anordnung einer Dichtheitsprüfung, mit dem Ziel, das Grundwasser vor Beein- trächtigungen zu bewahren, nicht zulässig.
Nach diesen Maßstäben sind Dichtheitsprüfungen der in § 10 Abs. 2 Satz 1 ABS
vorgesehenen Art von den §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 8 Nr. 2 NGO (jetzt §§ 10 Abs. 1,
13 Satz 1 Nrn 1a und 2a NKom VG) gedeckt, weil sei einen unmittelbaren Bezug
haben zur Benutzung des öffentlichen Abwasserbeseitigungssystems. Benutzung
in diesem Sinn ist das Einleiten von Abwasser in die öffentliche Kanalisation
mittels einer privaten Grundstücksentwässerungsanlage. Maßnahmen bezüglich
Herstellung und Erhaltung der privaten Anschlussleitung betreffen den
Benutzungsvorgang ebenso wie das Aufstellen von Anforderungen an das zum
öffentlichen Kanal gelangende Abwasser. In diesem Zusammenhang ist auch die
Dichtheit der privaten Anschlussleitung ein wichtiges Kriterium. Mängel bei der
Dichtheit können vor allem dadurch zu Beeinträchtigungen des kommunalen Abwasserbeseitigungssystems führen, dass Fremdwasser bei hohem Grundwasserstand in die öffentliche Kanalisation und die Abwasserbehandlungsanlage gelangt. Der Träger des Abwasserbeseitigungssystems muss im Interesse der erforderlichen effektiven Abwasserbeseitigung in der Lage sein, diesen - aus dem Verantwortungs- bereich des Grundstückseigentümers herrührenden - Missstand zu beseitigen, und muss aus diesem Grund auch eine Dichtheitsprüfung anordnen dürfen, die an technische Anforderungen zur Überprüfung des ordnungsgemäßen Zustands der Grundstücksentwässerungsanlage anknüpft.
Diese Grundsätze gelten nicht nur für Dichtheitsprüfungen, die bei einer privaten
Grundstücksentwässerungsanlage -anlassbezogen - wegen eines begründeten
Verdachts auf einen erhöhten Fremdwasseranfall durchgeführt werden. Auch bei
periodisch und vorsorglich erfolgenden, also ohne konkreten Anlass vorgenommenen
Überprüfungen der Dichtheit von privaten Entwässerungsanlagen, selbst wenn sie
nicht im 'Grundwasser liegen und letztlich dicht sind, stellen die §§ 6 Abs. 1
Satz 1, 8 Nr. 2 NGO (jetzt §§ 10 Abs. 1, 13 Satz 1 Nrn. 1a und 2a NKom VG) eine
ausreichende gesetzliche Ermächtigung dar. Wegen der Vielfalt der möglichen
Schadenseintritte und der Notwendigkeit eines auch vorbeugenden Schutzes kann
eine Eigenkontrolle nicht nur bei denjenigen Grundstücken, bei denen sich eine
allgemeine Gefährdungslage bereits konkretisiert hat, sondern für alle an die
öffentliche Entwässerungsanlage ange- schlossenen Grundstücke satzungsmäßig
vorgeschrieben werden (BVerfG - ZfW 1994, 392f).
Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die angefochtene Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 ABS auch mit Verfassungsrecht vereinbar. Der erkennende Senat hat ins
einer bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 24.11.1992 - 9 K 1828/92 - NSt-N
1993, 79 -, bestätigt durch BVerwG, ZfW 1994, 392f) kommunale Satzungs- regelungen, die Grundstückseigentümer verpflichten, auf ihre Kosten die Einhaltung der Benutzungsbedingungen durch
Eigenkontrolle sicherzustellen und die Vorschriften der DIN 1986 zu beachten, als mit höherrangigem Recht vereinbar angesehen.
Die sachliche Rechtfertigung folge in erster Linie aus der Einwirkungs- und Ver
fügungsgewalt des Eigentümers. Er sei typischerweise derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Herrschaft über die Grundstücksentwässerungsanlage - und damit über die Sache, von der mögliche Gefährdungen ausgingen - ausübe und deren Beschaffenheit sowie Benutzung bestimmen könne. Die Herrschaft über die Sache und die nach Art. 14 Abs. 2 GG vorgesehene Sozialbindung verpflichteten ihn, sein Eigentum in einem solchen Zustand zu halten und in einer solchen Weise zu gebrauchen, dass Dritte und deren Eigentum nicht gefährdet würden. Die Einhaltung dieser Pflichten setze notwendigerweise voraus, dass der Eigentümer den Zustand und die Benutzung der Sache durch Eigenkontrollen überprüfe.
Diese Grundsätze gelten entsprechend auch insoweit, als es um die hier umstrittene
Frage geht, ob der Grundstückseigentümer die Dichtheit seiner Grundstücksent-
wässerungsanlage und damit deren Ordnungsmäßigkeit auf eigene Kosten und in
regelmäßigen Abständen überprüfen lassen muss. Eine Verletzung der Eigentums- garantie kann der Antragstelle insbesondere nicht erfolgreich aus dem Argument
herleiten, es fehle an der für Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 14 GG
erforderlichen spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
Der Grundstückseigentümer darf verpflichtet werden, Maßnahmen zu dulden oder
vorzunehmen, die für die Durchführung des Anschluss- und Benutzungszwangs
uner- lässlich sind oder die nur unwesentliche, bei vernünftiger Betrachtungsweise
nicht nennenswerte Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse nach sich ziehen.'
Zu solchen Maßnahmen gehören auch regelmäßige Überprüfungen der Dichtheit von
Grundstücksentwässerungsanlagen durch den Eigentümer auf dessen Kosten.
Nach alledem ist es entgegen der Ansicht des Antragstellers rechtlich nicht zu
beanstanden, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 ABS Dichtheitsprüfungen bei der Grundstücksentwässerungsanlage entsprechend der DIN 1986-30 vorsieht.
Erfolgreich sind die Einwände des Antragstellers allerdings insoweit, als sie sich dagegen richten, dass Bescheinigungen über Dichtheitsprüfungen nach § 10 Abs. 2 Sätze 5 und 6 ABS ohne weitere
Nachweise anerkannt werden, wenn sie von einem gemäß Abschnitt lila (§ 15 a bis § 15 e BS) in ein Fachbetriebsregister aufge-nommenen Betrieb ausgestellt worden sind. § 15 a Abs. 1 c ABS
bestimmt,
dass .Betrieben aus den Bereichen Rohr-und Kanalreinigung, Kanalinspektion und
Sanitär-Heizung-Klimatechnik' Zulassungen für die Tätigkeitsbereiche
,Inspektion und Dichtheitsprüfung von Grundstücksentwässerungsanlagen' erteilt
werden. § 15 a Abs. 2 ABS sieht vor, dass für den Verantwortlichen des Betriebs
und für die vor Ort verantwortlichen Personen eine erfolgreiche Teilnahme an
einer durchgeführten Fachbetriebsschulung nachgewiesen werden muss. Gemäß §
15 a Abs. 4 ABS erfolgt vor Aufnahme in das vom Antragsgegner geführte
Fachbetriebsregister eine Qualitätsprüfung im Rahmen einer Baumaßnahme. Dem
Antrag auf Aufnahme in das Register sind zahlreiche Unterlagen beizufügen, z.B.
Nachweise über die Schulung der verantwortlichen, über die Eintragung des
Unternehmens bei der Handwerkskammer oder der Industrie-und Handelskammer und über die Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft (§ 15 b Abs. 1 Satz 2 ABS).
Der Senat lässt offen, in welchem Maße der Antragsgegner befugt ist, in seiner
Abwasserbeseitigungssatzung die Erteilung von Bescheinigungen über Dichtheitsprüfungen zu regeln und in diesem Zusammenhang Qualitätsanforderungen an Fachbetriebe zu stellen. Zwar umfasst die
bereits umschriebene Ermächtigung, im Rahmen der Vorschriften betreffend den Anschluss- und Benutzungszwang (früher § 8 Nr. 2 NGO, jetzt § 13 Satz 1 Nrn 1 a und 2a NKom VG) auch Regelungen
über
Dichtheitsnachweise zu treffen, grund- sätzlich auch das Recht, darüber zu
befinden, wer diese Nachweise erteilen darf und welche Anforderungen zu stellen
sind. Ferner mag es auch sachorientierte Gründe dafür geben, die Überprüfung
und Bestätigung der Dichtheit bestimmten Betrieben, an die fachlich orientierte
Anforderungen gestellt werden, zu übertragen. Auf der anderen Seite ist
indessen zu berücksichtigen, dass die Aufstellung eines Fachbetriebsregisters
eine die Berufsausübung einschränkende Wirkung hat und daher den Schutzbereich
des Art. 12 Abs. l GG berührt und dass es deshalb ein - im Einzelfall durchaus
unterschiedlich zu beurteilendes -Bedürfnis für ein eigenständiges Register
geben muss.
Ob unter den vorliegend gegebenen Umständen ein die Einschränkung der freien
Berufsausübung rechtfertigender Bedarf für ein Fachbetriebsregister gegeben
ist, kann indessen unbeantwortet bleiben, weil sich eine Unzulässigkeit der vom Antragsgegner getroffenen Regelungen über Fachbetriebe jedenfalls daraus ergibt, dass die Erfordernisse der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12. Dezember 2006 (ABI. EU Nr. L 376 S. 36) nicht eingehalten sind. Die Dienst- leistungsrichtlinie bestimmt, dass auf europäischer Ebene erteilte gleichwertige Berechtigungen einer Berechtigung nach deutschem Recht gleichstehen.
Der Normenkontrollantrag des Antragstellers hat ferner insoweit Erfolg, als er
sich gegen die Bestimmungen in § 10 Abs. 2 Satz 2 a und b ABS richtet. Die vom
Antragsteller ebenfalls angegriffenen Regelungen in den Buchstaben c und d des
§ 10 Abs. 2 Satz 2 ABS sind hingegen wirksam:
§ 10 Abs. 2 Satz 2 ABS ermöglicht -über die nach der DIN 1986-30 zu erfüllenden
Anforderungen hinaus - zusätzliche Dichtheitsprüfungen in bestimmten, unter a
bis d aufgeführten Fällen. Der erkennende Senat hat zur Bedeutung der DIN
1986-30 für die Sachgerechtigkeit von Regelungen in kommunalen Abwasserbeseitigungssatzungen in seinem Urteil vom 13. Januar 1998 (9 L 1959/96) ausgeführt:
,Sie enthält eine sachverständige Konkretisierung desjenigen, was bei der Herstellung von Kanälen und Grundstücksanschlüssen anerkanntermaßen' als regelgerecht gilt. Durch die DIN 1986 wird
die den abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinden obliegende Ermessensausübung weitgehend gelenkt und in bestimmter Weise vorgegeben. Will die Gemeinde von der DIN abweichen, insbesondere für den
Bürger schärfere Anforderungen aufstellen, so bedarf es hierfür einer sachlichen
Rechtfertigung.
Strengere Anforderungen im Vergleich zur DIN 1986 i.d.F. von 1988 ... entsprechen nicht ohne Weiteres einer sachgerechten Ermessensausübung. Denn die DIN geben die anerkannten Regeln der Technik
in sachverständiger Weise wieder. Sie geben daher zumindest für den Regelfall vor, welche Maßnahmen sachgerecht, erforder- lich und ausreichend sind. Bestehen weitergehende Anforderungen nach der
DIN nicht, so spricht dies dafür, dass solche Anforderungen nicht notwendig sind und als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips daher - auch angesichts der mit ihnen
verbundenen Kosten und Anstrengungen ... vom Grundstückseigentümer auch nicht
verlangt werden können.
Die Abwassersatzungen der Gemeinden und Landkreise dürfen somit strengere
Anforderungen im Vergleich zur DIN 1986 i. d. F. von 1988 nur vorsehen, wenn
sie aus sachlichen Gründen - wie möglicherweise besonderen örtlichen Gegeben-heiten - geboten sind.'
Derartige Rechtfertigungsgründe sind nur in Bezug auf die Buchstaben c und d des § 10 Abs. 2 Satz 2 ABS gegeben.
Nach den dort getroffenen Regelungen können zusätzliche Dichtheitsprüfungen
gefordert werden, wenn ein Grundstück in einem Gebiet mit hohem Fremdwasseranteil liegt oder konkrete Erkenntnisse bestehen, dass die Grund- stücksentwässerungsanlage undicht ist. In beiden Fällen
ist mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit davonauszugehen, dass von dem Grundstück, für das eine Dichtheitsprüfung gefordert wird. Gefahren für das ordnungsgemäße Funktionieren des
öffentlichen
Abwasserbeseitigungssystems ausgehen. Diese Sachlage lässt es vertretbar
erscheinen, zusätzlich zu den an festen Zeitpunkten vorgesehenen Überprüfungen
nach der (zurzeit geltenden) DIN 1986-30 weitere anlassbezogene Prüfungen der
Dichtheit anzuordnen. Die Regelungen in der (zurzeit geltenden) DIN 1986-30
legen allein die in bestimmten Zeitabständen gebotenen Maßnahmen fest und
besagen nicht zugleich, dass selbst bei besonderen Anlässen zusätzliche Über- prüfungen nicht vorgesehen werden dürfen.
In einer kommunalen Abwasserbeseitigungssatzung aus Rechtsgründen nicht
möglich und daher unwirksam ist allerdings die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz w ABS; wonach bei Grundstücken in Wasserschutzgebieten - ohne Einschränkung - zusätzliche Dichtheitsprüfungen gefordert werden können. Mit dieser Bestimmung soll nicht der ordnungsgemäße Betrieb des öffentlichen Abwasserbeseitigungssystems gewährleistet, sondern Grundwasserschutz betrieben werden. Die Verfolgung wasserrechtlicher Ziele kann indessen aus den bereits dargelegten Gründen nur mit den Mitteln des Wasserrechts, nicht aber über kommunale Abwasserbeseitigungssatzungen erfolgen.
Keine sachliche Rechtfertigung besteht ferner für die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz a
ABS. Danach können zusätzliche Dichtheitsprüfungen gefordert werden, wenn ein
Grundstück an einer Straße liegt, in der die öffentliche Abwasseranlage
saniert oder umgebaut wird. Die Vorschrift lässt die Forderung zusätzlicher
Prüfungen der Grundstücksentwässerungsanlage ohne Einschränkung zu, so dass
diese Prüfungen unabhängig davon angeordnet werden können, wann die letzte
periodenmäßige Überprüfung gemäß § 10 Abs. 2 Satz l ABS stattgefunden hat. §
10 Abs. 2 Satz 2 a ABS berechtigt somit dazu, schon relativ kurze Zeit nach
einer Prüfung gemäß Satz l eine weitere Prüfung nach Satz 2 zu fordern, ohne
dass dies gerechtfertigt wird durch äußere Anlässe, wie ein erhöhter Fremdwasseranfall oder sonstige Hinweise auf eine Undichtigkeit. Eine derart weitreichende Regelung ist unverhältnismäßig und
daher unwirksam."
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Reinhart Piens (Essen) für korrespondenz Abwasser 6/12
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